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Epithetik bei Brandverletzungen

Bei der Akutversorgung von Schwerbrandverletzten stehen die Erhaltung der Vitalfunktionen und der Ersatz verlorener Hautareale im Vordergrund der Therapie.

Die epithetische Versorgung am brandverletzten Kopf

Im Gesicht müssen insbesondere die Lider zum Erhalt des Visus primär versorgt werden, drittgradige Verbrennungen der Mundöffnung und des Naseneinganges werden zur Vermeidung späterer schwerer Funktionsstörungen mit Spalthaut gedeckt.

Bei Verlust von Weichteilen der Nase und/oder der Ohrmuschel kann selten eine primäre Rekonstruktion durchgeführt werden. Fast immer sind zur Wiederherstellung aufwendige operative Eingriffe notwendig - nicht selten in mehreren Sitzungen.

Jeder plastisch-chirurgisch tätige Arzt weiß um die operativen Schwierigkeiten der Totalrekonstruktion eines Ohres und der Nase. Dies gilt umso mehr, wenn durch eine großflächige Verbrennungsverletzung die umgebene Haut nur noch eine Narbenplatte darstellt.

So ist die Wiederherstellung der Weichteile der Nase mit einer regionalen Stirnlappenplastik nur bei einer intakten Stirnhaut möglich. Für ein ästhetisch befriedigend rekonstruiertes Ohr muss in der von BRENT (1992) und NAGATA (1993) angegebenen Technik eine Deckung des frei transplantierten Rippenknorpels mit Hilfe der vitalen, von der Arteria temporalis superficialis ernährten Temporalisfaszie möglich sein. Gelingt dies nicht, resultieren oft auch nach 4-6 Korrektur-Operationen nur Knorpelunterlegte Gebilde, die mit den feinen Strukturen eines Ohres nicht übereinstimmen.

Seit Anfang der 80er-Jahre hat sich durch die von BRANEMARK entwickelte implantatgestützte transkutane Epithesenverankerung eine Alternative zu dem rein operativen Vorgehen etabliert (TJIELLSTRÖM et al. 1983)

Klinische Daten und Ergebnisse

An der Fachklinik Hornheide (FKH) werden seit 1932 künstliche Gesichtsteile hergestellt. Das frühere Indikationsspektrum der Versorgung von Lupus-Patienten wechselte seit Anfang der 50er Jahre zur epithetischen Versorgung von Tumordefekten nach ablativen Eingriffen wie Amputationen von Nase und Ohren sowie der Exenteratio orbitae.

Bei einem kleineren Teil der Patienten werden Fehlbildungssyndrome wie hemifaziale Mikrosomie, Treacher-Collins Syndrom, etc. epithetisch mit einem Ohrersatz versorgt. Der Anteil von Traumafällen liegt unter 10%.

Im Jahre 1990 wurden in der FKH neben den konventionellen Fixationen von Epithesen, Implantatverankerungen der künstlichen Gesichtsteile eingeführt.

 

 

Diskussion

Bei den Vorarbeiten zu der vorgelegten klinischen Arbeit ergab sich ein überraschendes Ergebnis zur Häufigkeit der epithetischen Versorgung von Brandverletzten: Nur bei 38 von 1.120 Patienten wurde die Epithese wegen einer Brandverletzung hergestellt. Dies entspricht einem Anteil von 3,4%.

Es stellt sich daher für ein bundesweites Zentrum der epithetischen Versorgung von Patienten die Frage, ob die operative Wiederherstellung der Ohrmuschel und der Nase einem künstlichen Ersatz so überlegen ist, dass diese Versorgung so selten in Anspruch genommen wird.

Dazu hat WILKES (1994) im Editorial der Zeitschrift "Plastic and Reconstructive Surgery" unter dem Titel: "Osseointegration and the plastic surgeon. A Time of Reflection" Stellung genommen. WILKES fordert die plastischen Chirurgen auf, die Zeichen einer neuen Entwicklung zu sehen, kritisiert die ausschließliche Option der wiederherstellenden Chirurgie ("Why use a prosthesis, when you can surgically reconstruct the real thing") und versucht der modernen kraniofazialen Epithetik einen größeren Raum zu geben.

Die eigenen Erfahrungen mit der wiederherstellenden Chirurgie von Nasen und Ohren zwingen insbesondere bei älteren Patienten zu einer vorsichtigeren Einschätzung des Erfolges.

Ist schon die Rekonstruktion eines Teildefektes der Nase oft nur mit großen Lappenplastiken möglich, so führen bei Totalverlusten der Nase selbst aufwendige Techniken mit Tissue-Expandern etc. nur zu einem mäßigen und ästhetisch unbefriedigenden Befund. Die Narben der Spenderregion hinterlassen zusätzliche Spuren.

An der Fachklinik Hornheide stellen sich jährlich 2-3 Patienten anderer Kliniken mit rekonstruiertem Ohr vor, das auch nach 10-12 Eingriffen eher einer Hautschlaufe als einer Ohrmuschel entspricht. Von den Patienten wird die Entfernung des wiederhergestellten Ohres erbeten. Für die Rekonstruktion einer leeren Orbitahöhle gibt es kein operatives Konzept, das die Qualität einer modernen implantatfixierten Epithese auch nur annähernd erreicht.

Gerade der Schwerbrandverletzte hat in der Primärphase seiner Versorgung oft eine große Anzahl von Operationen physisch und psychisch zu verarbeiten. Vor der Rekonstruktion einer verstümmelten Nase, von einem oder gar beiden Ohren, muss daher geprüft werden, ob eine Epithese nicht eine bessere Rehabilitation des betroffenen Patienten mit einer schnelleren Rückkehr in seine private und berufliche Umgebung erlaubt.

Bei jüngeren Patienten, insbesondere bei Teildefekten von Nasen und Ohren, wird man diese Frage sicher eher zugunsten einer operativen Wiederherstellung beantworten. Viele betroffene Brandverletzte werden sich auch gegen eine künstliche Nase oder ein abnehmbares Ersatzohr wenden.

Gleichwohl sollte bei der Aufklärung über eine mehrzeitige Rekonstruktion neben der Erwähnung aller Risiken eines ästhetisch nicht befriedigenden Ergebnisses, auch die Information einfließen, dass die moderne chirurgische Epithetik eine echte Alternative ist.

Literatur:

PD Dr. med. Dr. med. dent. Volker Schwipper

Fachklinik Hornheide
Abteilung für Gesichts- und Plastische Chirurgie / Epithetik

Dorbaumstr. 300
48157 D-Münster, Deutschland

Tel.: +49 (0)251 / 3287 - 421
Fax: +49 (0)251 / 3287 - 299

www.fachklinik-hornheide.de


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