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Susanne Lüderitz

Dipl.-Psych. Susanne Lüderitz, Berlin, untersucht den psychischen Unterstützungsbedarf nach schweren thermischen Verletzungen von Betroffenen und Angehörigen.

Dipl.-Psych. Susanne Lüderitz Studienpreisträger 2018
Dipl.-Psych. Susanne Lüderitz Studienpreisträger 2018

Medizinhistorisches Neuland

Während noch vor ca. dreißig Jahren die Überlebenschancen bei schweren thermischen Verletzungen sehr gering waren, ist dank der enormen Erfolge in der medizinischen Forschung und Behandlung die Zahl derer gestiegen, die schwere und schwerste Verbrennungen überleben.

Aufgrund der Komplexität der Verbrennungskrankheit und ihrer körperlichen, psychischen und sozialen Folgen betreten die Betroffenen und ihre Angehörigen damit sowohl medizinisches als auch psychologisches und soziales Neuland. Während Betroffene sogenannter Volkskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes oder auch Krebserkrankungen auf ein lang überliefertes und weit verbreitetes medizinhistorisches und soziokulturelles Wissen, Einordnungs- und Verstehenshilfen sowie Handlungsorientierungen und gesellschaftliche Unterstützungsangebote wie z.B. der Psychoonkologie zurückgreifen können, die sowohl im Familien- und Bekanntenkreis als auch in der Literatur, im Film und in den anderen Medien präsent sind, gibt es für Schwerbrandverletzte bisher zu wenig Orientierungspunkte oder nichtmedizinische Unterstützung.

Schwer thermisch Verletzte und ihre Angehörigen müssen sich, zusätzlich zu den Belastungen der Krankheitsbewältigung, jedes Wissen und jede Orientierung selbst aneignen und erarbeiten. Mit vielen Unterstützungsbedürfnissen stehen sie derzeit (noch) allein da.

Kulturelle Lücke

Medizinisches als auch psychologisches und soziales Neuland bedeutet auch das Fehlen von passenden Begrifflichkeiten, Beschreibungen, Deutungsmuster zum Begreifen, Erfassen, Verstehen, Einordnen und Kommunizieren der eigenen Situation und Problemlagen. Kulturelle, familiäre oder soziale Vorbilder und Handlungsmuster bzw. Unterstützungsmöglichkeiten für das Erleben und Bewältigen der lebensgefährlichen Extremsituation Schwerstbrandverletzung und ihrer Folgen stehen in der Regel nicht zur Verfügung

Durch die zeitversetzten Heilungsverläufe auf physischer und psychischer Ebene setzen viele psychische Verarbeitungsprozesse erst nach der körperlichen Akutbehandlung ein, dann, wenn die Betroffenen nicht mehr stationär behandelt werden.

Das Verletzungsbild und die Erfahrungswelten Betroffener sind weit von dem normalen Erfahrungsbereich sowohl der allgemeinen Bevölkerung als auch von dem Vorstellungsvermögen von vielen Fachleuten entfernt.

2009 konstatierten Renneberg und Simon-Wallis „Fasst man den aktuellen Forschungsstand zusammen, so wird deutlich, dass das Auftreten psychischer und sozialer Probleme nach schweren Brandverletzungen eher die Regel als Ausnahme zu sein scheint." und betonen, dass viele Studien unterstreichen, dass psychische Probleme bei Brandverletzten nicht vorübergehend, sondern stabil seien und häufig über die Zeit sogar zunähmen".

Die erhöhte Zahl von Suiziden, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch als Langzeitfolge von Schwerstbrandverletzungen weist darauf hin, dass ein erhöhter Anteil Betroffener an der Bewältigung der Folgen von schweren thermischen Verletzungen verzweifelt bis scheitert.

Studien zeigen weiterhin, dass nur wenige den Weg in eine ambulante Psychotherapie, wo ihre Situation aufgegriffen werden könnte und Unterstützung bei der psychischen Bewältigung angeboten werden könnte, finden oder dort angenommen werden würden.

Die Psychotherapie als Fachdisziplin wiederum erfährt u.a. dadurch sehr wenig über die krankheitsspezifischen Unterstützungsbedürfnisse und Betroffenen und Angehörigen. Der Behandlungsbedarf nach schweren lebensgefährlichen Ereignissen wie schweren thermischen Verletzungen ist mehrheitlich weder in den psychotherapeutischen Ausbildungsinstituten noch in der psychologischen bzw. psychotherapeutischen Forschung in seiner ganzen Tragweite bekannt oder erforscht:

„Obwohl Studien belegen, dass der Bedarf an psychologischer Unterstützung bei Patienten mit Brandverletzungen hoch ist und dass viele Betroffene gerade auch im Langzeitverlauf psychische Probleme entwickeln, mangelte es bisher an fundierten psychotherapeutischen Konzepten zur gezielten Unterstützung dieser Patientengruppe."

2015 wurde in der führenden Fachzeitschrift 'Burns' konstatiert, dass sich die bisherige psychologische Begleitforschung auf Prädiktoren (Vorhersagefaktoren) konzentriert hat, aber keine Aussagen zu wirksamen störungsspezifischen Interventionen machen kann, die einen positiven Einfluss auf den Langzeitverlauf der Krankheits- bzw. Behinderungsbewältigung haben.

Ziel der Interviewstudie

Ziel dieser Interviewstudie ist es, zu erfahren, in welchen Behandlungsphasen welche psychischen Unterstützungsbedürfnisse bei Betroffenen und Angehörigen vorhanden sind bzw. sein können, einen phasenspezifischen Überblick über die verletzungsartenbedingten psychischen Behandlungsbedürfnisse und -wünsche nach schweren thermischen Verletzungen von Betroffenen und Angehörigen zusammenzustellen und Empfehlungen für die Entwicklung geeigneter psychoedukativer und psychotherapeutischer Unterstützungsangebote zu erarbeiten.

Ergebnis dieser Arbeit

Das Ergebnis dieser Arbeit soll ein vertieftes fachliches Problembewusstsein und begriffliches Handwerkszeug für die Entwicklung von angemessenen Unterstützungsangeboten für die phasenspezifischen psychischen und sozialen Bedingungen, Folgen und Begleiterscheinungen einer schweren thermischen Verletzung sein.

Ähnlich wie in der Psychoonkologie, die seit den 90er Jahren ein umfangreiches Wissen über psychische Begleiterscheinungen bei Krebserkrankungen und entsprechende Unterstützungsangebote entwickelt hat, soll das Wissen um die psychischen Unterstützungsbedürfnisse nach schweren Brandverletzungen bei Betroffenen und Angehörigen in den fachlichen Diskurs eingebracht werden, um die Lücken in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Problemlagen und Bedürfnissen dieser medizinhistorisch neuen Patientengruppe zu schließen.


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